
Albanien stand als Reiseland schon lange auf unserer Bucketlist. Das kleine Balkanland war bis in die 1990er durch das kommunistische Regime fast vollständig abgeschottet und ist auch heute bei vielen noch nicht auf dem Plan. Im Mai 2024 sollte es also so weit sein. Der Flug gebucht, die Taschen gepackt, es konnte losgehen.
Was Vorher geschah…
Wir hatten uns – durch ChatGPT beeinflusst – eine Reiseroute zurecht gelegt und diese über Google MyMaps erstellt. Unser Plan war, in die Hauptstadt Tirana zu fliegen und dann mit einem Mietwagen 14 Tage lang das Land auf eigene Faust erkunden. Grob sah unsere Route wie folgt aus: Tirana erkunden, An der Küste Richtung Süden fahren, einen Schlenker durch das Landesinnere zum Ohrid-See und zurück nach Tirana. Da Albanien (noch) nicht in der EU ist, hatten wir uns eine eSIM-Karte besorgt, um vor Ort zumindest mobiles Internet nutzen zu können, was auch hervorragend klappte, da die Netzabdeckung um Welten besser klappte, als das bei uns der Fall ist.
Die Anreise
Albanien (Tirana) wird von einigen deutschen Flughäfen direkt angeflogen. Da wir im Südwesen der Republik wohnen, bot sich Karlsruhe Baden-Baden als Startflughafen an. Mit dem richtigen Angebot kann man relativ günstig in etwa zweieinhalb Stunden dort hin fliegen. Das beste daran: Unser Flug ging planmäßig um 19:30, sodass wir den Tag über noch arbeiten und direkt im Anschluss daran in den Urlaub aufbrechen konnten. Ein erster kleiner Dämpfer war dann ein Unwetter im süddeutschen Luftraum, dass uns eine weitere Stunde im übervollen Flieger auf dem Vorfeld bescherte. Am Ende landeten wir mit einer halben Stunde Verspätung in Tirana und fuhren erst einmal mit dem Taxi ins Hotel im Zentrum, das wir im Vorfeld gebucht hatten.
Die Hauptstadt Tirana

Tirana liegt im Zentrum Albaniens, vom Meer und Gebirgszügen eingerahmt und bildete den Startpunkt unseres Roadtrips. Wir hatten gelesen, dass Autofahren in Albanien eine Kunst für sich ist, was sich auch in den ersten zwei Tagen, in denen wir die Stadt (noch) zu Fuß erkundeten, bewahrheitete. Für Ende Mai war es jedenfalls schon angenehm warm und so konnten wir ganz entspannt durch die Straßen schlendern, uns für einen Espresso niederlassen oder die vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt anschauen. Überall in der Stadt gibt es etwas zu sehen. Ob Streetart an einer Hausfassade, den albanischen Lebensstil, oder einfach dem Treiben auf den Straßen zuschauen.



Alles in Allem sind die Dimensionen der Hauptstadt irgendwie überschaubar. Wir hatten nach zwei Tagen das Gefühl, uns auszukennen und die Sehenswürdigkeiten gesehen zu haben. Das entschleunigt, weil kein Druck entsteht, noch dieses oder jenes anzuschauen. So konnten wir uns ganz darauf konzentrieren die Vibes von Tirana in uns aufzunehmen…
Noch in Tirana konnten wir die erste wichtige Erkenntnis unseres Urlaubes formulieren: Rußpartikelfilter bringen wirklich etwas. Tja, da in Albanien noch nicht alle Autos in der Moderne angekommen sind, konnten wir den Feinstaub regelrecht in unseren Atemwegen spüren. Das wurde auch erst abseits der großen Städte besser. Kaum zu glauben, dass das früher bei uns auch der Standard war.






Ab ins Auto und los geht der wilde Ritt
An Tag drei holten wir in einer Hinterhofsiedlung einen am Straßenrand abgestellten Skoda Fabia ab. Der schon ein bisschen in die Jahre gekommene roter Flitzer mit vollkommen unglaubwürdigen 58.000 Km (bei 12 Jahren Alter) stellte sich jedoch schnell als robust genug heraus, um uns über die albanischen Straßen, die in der Tat einen besseren Zustand hatten, als ihr Ruf. Verglichen mit der deutschen Straßenverkehrsordnung muss man in Albanien etwas offensiver unterwegs sein, man könnte sagen hin und wieder knapp an der Grenze der Nötigung unterwegs sein, um keinen Stau zu verursachen oder nicht im Verkehrsfluss negativ aufzufallen.
Über die Küstenstraße von Vlora nach Dhermi
Die ersten Kilometer hinter uns gebracht, machten wir uns auf dem Weg nach Vlora, einer kleinen Hafenstadt am Übergang von Adria zu ionischem Meer. Wie in vielen anderen Städten auch, ist das Stadtbild geprägt von Neubauten, neuen Bauruinen und alten langsam verfallenden Immobilien. Die Mischung macht die Erkundung ziemlich spannend, weil es an jeder Ecke etwas neues zu entdecken gibt. In Vlora konnte die zweite, wichtige Erkenntnis des Landes formuliert werden: Die Albaner sind unheimlich gastfreundlich. Wir hatten uns ein kleines Restaurant, die Taverna Xhakaj ausgeguckt, in dem der Chef draußen auf der Straße ganze Ziegen, Lämmer oder Fische grillt. Albanien lebt von dem Tourismus-Hype und kleine Barbetreiber profitieren unheimlich von einer guten Google-Rezension. Das Erlebnis in seinem kleinen Restaurant war auf jeden Fall super und wir fühlten uns fast wie zu Hause.




Wer auf dem Weg nach Vlora ist, der kann etwa auf halbem weg im Apollonia Archäologie-Park anhalten und sich über die Zeit um 500 v. Chr. zu informieren. Wir haben das gemacht und obwohl es unglaublich warm war, konnten wir in den kühlen Hainen etwas abseits der Hauptwege den Park erkunden.
Von Vlora nach Dhermi ging es über eine Pass-Straße mal mit Blick aufs Meer, mal durch tiefe Wälder. Leider war es durch den Sahara-Staub etwas diesig, sodass man meist nicht soo große Weitblicke hatte. Dennoch eine sehr lohnenswerte Strecke. Auf der Passhöhe des Llogara-Passes haben wir eine kleine, aber wunderschöne Wanderung durch die Hochebene unternommen. Die Aussicht ist auf jeden Fall wunderschön.
In Dhermi angekommen sind wir für zwei Nächte in einem kleinen Boutiquehotel untergekommen. Das Hotel ist etwas außerhalb am Hang gelegen, die Anfahrt über steile und kurvige, teilweise unbefestigter Straße war schon etwas abenteuerlich.
Am nächstenTag haben wir eine Wanderung zum Canyon von Gjipe unternommen. Aus dem Ort hinaus ging es über gepflasterte Wege, über Felder und Wiesen abwechslungsreich immer leicht bergab in Richtung Strand. Je näher wir dem Strand kamen, desto schwieriger wurde der Weg. Zum einen wegen mäßig guter Beschilderung und zum anderen wegen des zunehmend steilen und gestrüppigen Geländes. Am Ende gelangt man an den Strand von Gjipe, dort befindet sich auch ein Campingplatz, der Kleinigkeiten zum Essen und Trinken anbietet. Dort gestärkt sind wir in den Canyon aufgebrochen. An einem heißen Tag war das Umherwandern in den kühlen und schattigen Canyon eine dankbare Abwechslung. Auf dem Heimweg (ähnlicher Weg zurück) haben wir ganz schön in der Nachmittagssonne geschwitzt.

Strandhopping in Borsh
Auf dem Weg gen Süden immer an der Küste entlang ging es nach Borsh, einem kleinen Fischerdorf. Hier liefen schon die Aufbauarbeiten für die kommende Saison auf Hochtouren. Glück für uns, wir hatten eine einfache, aber saubere Unterkunft fast direkt am Strand und konnten in der Faulen Sonne liegen, während um uns Herum fleißig Sonnenschirme und Bars aufgebaut wurden.
Ksamil – Die hippe Adriastadt
Ksamil ist der Badeort in Albanien. Türkisblaues Wasser und jede Menge Strandbars, in denen wir den ein oder anderen Aperol tranken. Hier ist es so, dass die meisten Strandabschnitte den ansässigen Bars gehören und man neben dem Cocktail eine Liege/Schirm-Kombi mietet. Das hat am Ende den Vorteil, dass man direkt ein Abstellplatz für seinen Getränk hat. Abends trafen wir ein paar nette Niederländer in einer Bar und spielten ein paar Runden Quixx.



Über Syri i Kaltër nach Gjirokastra
„Das Blaue Auge“ wird die Quelle genannt, die in ganz Albanien bekannt ist und zu der Touristenmassen jedes Jahr im Wahrsten Sinne strömen. Es handelt sich um eine unterirdische Karstquelle, aus dessen Innerem konstant Wasser (6 Kubikmeter/Sekunde) nach Oben gefördert wird. Spannend auf jeden fall mit anzusehen, auch wenn der Platz im Sommer sicher mehr als Badeort genutzt wird.

Gjirokastra, die Stadt der Steindächer
Gjirokastra hat uns sofort verzaubert – mit ihren steingepflasterten, engen Gassen, den typischen osmanischen Häusern und der majestätischen Burg, die über der Stadt thront. Besonders in den frühen Morgenstunden, wenn die Sonne noch tief steht, wirkt die Stadt wie aus einer anderen Zeit. Besonders imposant fanden wir die Steingedecken Hausdächer, was der Stadt von oben betrachtet einen spannenden Look verpasst. Bis wir jedoch an unserer Unterkunft ankamen, war das ein ordentlicher Kampf, denn: der Alte Teil ist unglaublich (!!) steil. Das hat unserem Mietwagen all seine Leistung abverlangt.



Die Stadt ist ein einziger Souvenirshop. An jeder Ecke gibt es etwas zu sehen und die Restaurants haben ihre Tische mitten in den Straßen stehen. Zur Abendstunde statteten wir der Burg einen Besuch ab, von der man einen super Blick über die Stadt genießen kann.
Lost Places und Bunker
Ganz Albanien ist ein einziger Abenteuerspielplatz. UVV und TÜV sucht man hier vergeblich. Dafür findet man unzählige Ruinen, alte Industrieanlagen und Bunker aus längst vergangenen Zeiten. In nahezu jedem Ort rostet ein Bunker, eine Industrieanlage oder ähnlich vor sich hin. Absperrungen gibt es selten. Jemanden, der sich dafür interessiert, ob man sich die Bauten näher anschaut, haben wir auch nicht getroffen.




Rafting auf dem Osum und Schluchtenwanderung
An unserer nächsten Unterkunft in der Nähe der Osum-Schlucht, wurde Rafting angeboten. Gesagt getan buchten wir ganz spontan für den kommenden Tag eine Rafting-Tour auf dem Osum See. Wir wurden in Neopren-anzüge gesteckt, bekamen einen Helm und ein Paddel in die Hand und wurden mit einem abenteuerlich ansehenden Bus Flussaufwärts gefahren. Da es die Tage zuvor ordentlich in den Bergen geregnet hatte, war der Fluss ein brauner, aufgewirbelter, reißender Strom. Perfekt fürs Rafting. Unser Guide buchvierte uns und sechs weitere Teilnehmer durch die Fluten. Sprung von der Klippe und per Rolle rückwärts zurück ins Boot inklusive.


Die Stadt der 1000 Fenster: Berat
Berat ist ein in ganz Albanien bekanntes Postkartenmotiv. Wir hatten eine mini-Pension mitten in der historischen Burganlage. Verwirrend für uns, man konnte direkt in der Burganlage parken. Von der Burg aus sieht man auf die 1000 Fenster auf der anderen Seite des Osum.



Diesen Teil von Berat haben wir natürlich auch noch ausgiebig erkundet. Allerdings fanden wir hinter etwa der Hälfte der Fenster verlassene und verfallene Gebäude wieder. Hier wurde wohl hauptsächlich die Fassade erhalten. Von der Burg aus hatten wir einen wunderschönen Blick in das Osumtal und einen atemberaubenden Sonnenuntergang.
Ausspannen in Lin am Ohridsee
Zum Ende hatten wir uns die Fahrt zum Ohridsee ausgeguckt. Der Seegilt als der älteste See Europas uns ist gleichzeitig einer der größten auf der Balkanhalbinsel. Der Großteil des Sees gehört zu Nordmazedonien, ein kleiner Teil – den, in dem wir waren – gehört zu Albanien. Hier hatten wir eine kleine, süße Pension. Die Ankunft gestaltete sich abenteuerlich, denn zum einen konnten wir uns nur mit Händen und Füßen mit der Gastmutter verständigen und zum anderen durften wir in der kleinsten und schmalsten Gasse des mini-Dorfes parken.



Nachdem das erledigt war, war ausspannen angesagt. Nachdem wir so viele verschiedene Eindrücke erlebt hatten und hier absolut nichts vorzufinden war (außer Eselkacke auf der Straße, wie vor hundert Jahren) genossen wir einfach nur die Gastfreundlichkeit der Menschen am Ohridsee.
Fazit
Würden wir wieder nach Albanien Fahren? Ja, definitiv. Die herzliche Gastfreundschaft und die atemberaubende Natur haben uns genauso begeistert, wie die einfache, aber zufriedene Lebensweise der Albaner. Aus Zeitgründen warten vor allem im Norden noch einige Flecken darauf, erkundet zu werden. Speziell die nordalbanischen Alpen haben wir uns für ein Andermal aufgehoben.
